Bauernbefreiung
Bauernbefreiung in Groß Köris 1816
Verfasser: Friedmar John
1717/18 hatte der Preußenkönig das Schenkenland - und damit Groß Köris - als königliches Eigentum erworben. Damit gehörten ihm nicht nur die Wälder, Seen und Bodenschätze, sondern auch die Bauerngehöfte samt dem dazu gehörigen Land. Die Menschen waren Untertanen, denn damals herrschten noch die Leibeigenschaft und die damit verbundene persönliche Unfreiheit.
Feudale Naturalabgaben und Spanndienste
Einige Erscheinungsformen der Leibeigenschaft wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Preußen abgeschafft. Das Eigentum des Königs an dem Bauernland und die auf den Höfen lastenden Natural-, Spann- und Handdienste blieben jedoch bestehen. Die Groß Köriser Bauern mussten diese Dienste an das königliche Amt Teupitz leisten. Es liegen keine Informationen vor, wie hoch die Naturaldienste der Groß Köriser Bauern waren. Aber für das Teupitzer Gebiet macht Biedermann („Die Wirtschaft des Schenkenländchens“ 1933) folgende Angaben: „Die Getreideabgabe wurde individuell festgesetzt. Der Durchschnitt war 1663 vier Scheffel Roggen und zwei Scheffel Gerste pro Hufe. Dieser Durchschnitt von vier Scheffel Roggen erscheint auch 1682, 1701 und 1717“ (Ein Hufe war lt. Biedermann im Durchschnitt 12 ha Ackerland, 1 Scheffel war in Preußen 54,961 Liter). Zu den Spann- und Handdiensten macht Biedermann Angaben für die Dörfer Schenkendorf, Groß- und
Kleinbesten: „Danach musste jeder Bauer drei Tage wöchentlich mit dem Gespann dienen, ein Kossät zu Fuß; in der Ernte dienten beide Gruppen täglich“.
Neben diesen, an die Gehöfte gebundenen Dienste gab es die allgemeinen Abgaben und Dienste (Natural- oder Geldabgaben). Hierzu zählten auch Dienste bei Waldbränden, Raupenfraß, Wildschäden, aber auch sog. Jagddienste bei königlichen Jagden. Zu den allgemeinen Diensten gehörten ferner Hilfsdienste bei Wolfsjagden, die sog. Richterfuhren und Dienste, die polizeilich angeordnet werden konnten.
Die Reformen von Stein und Hardenberg in den Jahren nach 1807 waren darauf gerichtet, die feudalen Privilegien und Strukturen zu beseitigen und den preußischen Staat neu zu organisieren. Sie enthielten auch Gesetze zur Aufhebung der feudalen Abhängigkeit der Bauern. Hardenbergs „Regulierungsedikt“ vom 14.9.1811 legte die Bedingungen zur Befreiung der Bauern von den Feudallasten fest.
Vertrag mit Groß Köriser Bauern
Von den Maßnahmen zur Bauernbefreiung waren auch die Bauern in Groß Köris betroffen. In Groß Köris gab es im Jahr 1816 15 Bauerngehöfte. Sie wurden von folgenden Bauern bewirtschaftet:
Friedrich Orban (er war zugleich der Dorfschulze), Friedrich Haenicke, Christian Grubert, George
Otto, Johann Poesch, Friedrich Lawasch, Johann Mietschke, Hans Georg Kocker, Gottfried Krüger,
Christoph Pint, Johann Jurisch, Johann Ludewig, Christian Haenicke, Christian Krüger und George
Krüger. Am 26.6.1816 wurde zwischen der „Königlichen Regierung zu Potsdam“ und den
„dienstpflichtigen Eingesessenen zu Groß Köris“ ein Vertrag über die Aufhebung der Naturaldienste
und die erbliche Erwerbung ihrer Höfe abgeschlossen. Kernpunkte dieses Vertrages waren:
· Die 15 „dienstpflichtigen Eingesessenen“ werden rückwirkend ab Trinitatis 1812 von allen
Natural-, Spann- und Handdiensten, auch Forstverbesserungsdiensten, befreit.
· Für die Befreiung von diesen Diensten entrichtet jeder Bauer ein jährliches „Dienstgeld“ in
Höhe von 20 Talern „in Preußischem Klingendem Silber“. Wird dieses Dienstgeld nicht oder nicht
pünktlich bezahlt, kann die königliche Regierung den Rückstand durch Naturaldienste einfordern.
· Die Bauern (und ihre Nachkommen) erhalten die von ihnen bewirtschafteten Höfe,
einschließlich Land und Gebäude, als frei verfügbares Eigentum. Dafür muss jeder Bauer ein sog. „Erbstandsgeld“ in Höhe von 37 Talern und 8 Groschen zahlen, zahlbar in 10 Jahren in gleichen Raten.
· Die Befreiung erstreckt sich nur auf die an den Hof gebundenen Dienste (also die Natural-,
Spann- oder Handdienste). Alle „…übrigen Verhältnisse, Abgaben und Leistungen der Eingesessenen werden nicht im geringsten verändert, sondern müssen nach wie vor unweigerlich abgetragen und geleistet werden“. Weiter heißt es: „Ebenso sind unter den abzulösenden Diensten diejenigen nicht mit begriffen, welche die Eingesessenen beim Bau von Kirchen, Pfarr- oder Schulgebäuden oder sonst bei den im Allgemeinen Landrecht … bekannten Fällen zu entrichten haben.“
Die Unterzeichnung des Vertrages fand im „Königlich Kurmärkischen Justizamt Teupitz“ statt. Für diejenigen Bauern, die „…des Schreibens unkundig“ waren, hat der „Aktuarius Voigt“ die
Unterschrift vollzogen. Dessen Eintragung haben die betroffenen Bauern durch drei Kreuze ergänzt. Das Dokument weist 9 Bauern mit derartigen Kreuzen aus. 6 Bauern haben mit ihrem Namen unterschrieben.
Zwiespältiger Charakter
Der mit dem Vertrag verbundene historische Fortschritt bestand darin, dass die Bauern nun
Eigentümer der von ihnen bewirtschafteten Höfe waren, diese Höfe vererben (auch beleihen) konnten und dass sie von den auf den Höfen liegenden Naturalabgaben sowie Spann- und Handdiensten befreit waren. Dennoch gibt es Anlass, auf den zwiespältigen Charakter der „Bauernbefreiung“ von 1816 hinzuweisen: Zwar waren die Groß Köriser Bauern nun von den Naturalabgaben und den Diensten befreit, an ihre Stelle traten jedoch Geldabgaben. Rückwirkend ab 1812 erhielt der preußische Staat von den 15 Groß Köriser Bauern pro Jahr 300 Taler „Dienstgeld“ sowie die fälligen Raten des „Erbstandsgeldes“. Waren die Bauern zur Zahlung nicht in der Lage, blieb es bei den Naturalabgaben und Diensten. Ein weiterer Umstand ist zu erwähnen. Die zu entrichtenden Geldabgaben waren für den Fiskus bedeutend vorteilhafter als die bisherigen Naturalleistungen und –dienste. Der Staat konnte sie überall dort einsetzen, wo (und wann) Bedarf vorhanden war. Durch seine unbegrenzten Verwendungsmöglichkeiten überwanden die Geldabgaben die engen Grenzen und den nur mäßigen Nutzeffekt der feudalen Naturaldienste.
Für die Groß Köriser Bauern war der Vertrag von 1816 ein Markstein auf ihrem Weg zu bürgerlichen
Bewirtschaftungsformen und ihrer Teilnahme an den sich im 19. Jahrhundert rasch ausweitenden
Ware-Geld-Beziehungen.
Erstveröffentlichung: „Teupitzer Nachrichten“, Dezember 2012