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Der Backofen

Der Backofen – das kleinste Bauwerk im Ort
Verfasser: Friedmar John
Wer von der Lindenstraße kommt und auf der Sputendorfer Straße in Richtung Rankenheim geht, wird gleich hinter den Häusern des alten Dorfkernes linkerhand des Weges ein kleines, von zwei knorrigen Kiefern und einer Eiche umgebenes Bauwerk bemerken. Das ist der Backofen, in dem die Groß Köriser Einwohner in vergangenen Zeiten ihr Brot gebacken haben. Kurt Weiden, der Studien über die Geschichte der Backöfen in Brandenburg durchgeführt hat und auf den wir uns im Folgenden beziehen, bezeichnet den Backofen als „das kleinste Bauwerk im Dorf“ (Märkische Heimat, Potsdam 1986). Auch auf den Groß Köriser Backofen trifft diese Bezeichnung zu. Er ist kaum 2 m hoch, etwa 2 1/2 m breit und 3 m lang, und um ihn als Bauwerk zu respektieren, gehört schon ein wenig Phantasie dazu. Das äußere Bild des Backofens, so wie er sich heute dem Betrachter präsentiert, nämlich mit massivem Mauerwerk, Ziegeldach und gemauertem Schornstein, hat seine Wurzeln in der Geschichte.
Regeln zur Verhütung von Bränden
In früheren Jahrhunderten hat jeder sein Brot selbst gebacken. Für die Dorfbevölkerung hatte der Backofen eine wirtschaftlich bedeutsame, ja lebenswichtige Zweckbestimmung. Aber der nicht immer sorgsame Umgang mit den Öfen in den Gehöften war nicht selten die Ursache für Brände. Und da die Häuser seinerzeit aus Holz und Lehm gebaut waren und mit einem Dach aus Stroh oder Schilfversehen waren, hatten Brände meist verheerende Auswirkungen. Um solche Brände zu verhüten, erließen die preußischen Behörden im 18. Jahrhundert eine Reihe von Regeln und Bestimmungen über den Bau und den Umgang mit Backöfen. Im Reglement über die Anlegung von Backöfen in den Dörfern vom 16.4.1761 wies die Kriegs- und Domänenkammer auf die Feuersbrünste hin, welche durch die Nähe der Backöfen an Gebäuden und vor allem durch mangelhafte Aufsicht entstanden sind. Die Behörde „hielt es für rationeller, nur einen Backofen im Dorf zu haben“ und diesen „durch eine zuverlässige Person ständig betreuen zu lassen“. U.a. wurde angewiesen, dass die Backöfen mit einem Schornstein zu versehen sind und eine Mindestentfernung von 30 bis 40 Schritt von den Gebäuden haben sollten. In jedem Dorf mit einem gemeinsamen Backofen sollten Personen, wie „arme Leuthe, wie Schäfer- und Nachtwächterfrauen“ zur Aufsicht bestellt werden. Nur in Ausnahmefällen durften Backöfen im Garten gebaut werden. Bei Sturm durfte der Backofen nicht geheizt werden, das Backen musste auf einen anderen Tag verschoben werden.
Musterbackofen
1767 entwickelte die Kriegs- und Domänenkammer einen Backofentyp als Muster, „…der vor allem den Forderungen nach Sicherheit entsprach“. 1792 erließ sie einen „Anschlag zur Anfertigung eines publiken Backofens von 10 bis 12 Fuß Größe im Durchmesser, gewölbt, mit Dachstein und Lehm belegt, mit einem massiven Vorgelege und Schornstein versehen“. Eine entsprechende Zeichnung war beigefügt. Als Baukosten für diesen Typ waren 65 Taler veranschlagt.
Vorbehalte in den Gemeinden
Die Verwirklichung dieser behördlichen Vorgaben stieß in vielen Dörfern auf Schwierigkeiten.
Vielfach wurden die Vorgaben negiert. Zwar wurde die Verhinderung der Feuersgefahren überall
anerkannt. Diskussionen gab es aber wegen der mit dem Bau verbundenen Kosten. Die Erfahrungen zeigten, dass die tatsächlichen Kosten höher waren. Sie lagen bei 80 bis 90 Talern. Die Vorgaben der Behörden waren bewusst niedrig gehalten worden. Gegen ein gemeinsames Backen waren vor allemdie Frauen. „Es gab auch damals keine Hausfrau, die eine ´olle Schmuddeljuste´ an den Backtrog ließ oder an den Ofen stellte“. Um den Einwänden der Gemeinden Rechnung zu tragen, orientierten die Räte der Kriegs- und Domänenkammer, „ … gemeinschaftliche Backöfen nicht durch Zwang zu bewürken, sie hielten dafür: dass solche den Unterthanen als freie Sache überlassen bliebe(n)“. „Sie würden schon selber erkennen, dass ein gut gebauter gemeinschaftlicher Backofen von 70 bis 80 Talern billiger und besser ist, als wenn jeder Wirt selbst baut und damit sein Gehöft und andere gefährdet.“
Verbindliche Vorschriften 1794
Wegen der vielen Vorurteile und Einwendungen gegen die Errichtung gemeinschaftlicher Backöfen, aber auch wegen der nach wie vor ungenügenden Maßnahmen zur Verhütung von Bränden, erließ schließlich die Kriegs- und Domänenkammer am 16.4.1794 die Verordnung „Wegen besserer Einrichtung der Backöfen in den Dörfern der Churmark“. Diese nun verbindlich geltende Vorschrift enthielt u.a.:
§ 1 Backöfen müssen in 50 Schritt Entfernung von Gebäuden errichtet werden. Hölzerne
Ofentüren und das Abdecken der Öfen mit Brettern, Stroh und Rohr werden verboten.
§ 2 Bei einem geringeren Abstand, welcher der Zustimmung des Landrats bedarf, ist der Ofen mit einem massiven Schornstein und Dachziegeln zu decken.
§ 3 Auf den Dorfstraßen dürfen keine Backöfen gelitten werden.
§ 4 Ohne Zustimmung der Gerichtsbarkeit dürfen keine Backöfen errichtet werden. Diese
entscheidet über die Platzwahl.
§ 5 Backöfen, die den Vorschriften nicht entsprechen, müssen innerhalb einer bestimmten Frist
„eingeschlagen“ werden. Außerdem sind 10 Taler Strafe zu zahlen.
§ 6 Die Land- und Kreisausreiter „haben die Backöfen in den Dörfern fleißig in Augenschein zu
nehmen, und wenn sie Missbräuche finden, solches bei nachdrücklichen Strafen sofort anzuzeigen“.
Damit jeder diese Verordnung zur Kenntnis bekam, wurde sie in den Zeitungen abgedruckt und in den Dorfschänken angeschlagen. „Hinzu kam die sonntägliche Verlesung von den Kanzeln durch die Prediger.“
Erhaltung für künftige Generationen
Über den Groß Köriser Backofen in der Sputendorfer Straße liegen keine Dokumente vor. Es dürfte aber kein Zweifel bestehen, dass diese verbindlichen Vorgaben auch für ihn Pate gestanden haben.
Hinsichtlich seines Baujahres gibt es 2 Varianten. Eine Variante besagt, dass er 1820 gebaut wurde (in diesem Jahr soll nahezu das gesamte Dorf durch einen Brand zerstört worden sein), die andere nennt 1850 als Baujahr.
Wir lassen beide Angaben kommentarlos stehen. Viel wichtiger erscheint uns folgendes: Aus
vorliegenden Bauunterlagen ist ersichtlich, dass in den Jahren 1908 bis 1924 insgesamt 9 Anträge zum Bau von Backöfen durch Groß Köriser Bürger (darunter 7 aus dem alten Dorfkern) gestellt worden sind. Aus einer Bauzeichnung aus dem Jahr 1913 ist ferner zu entnehmen, dass auf dem Gelände des Güterbahnhofs (neben der ehemaligen Ladestraße, etwa wo sich heute die Tankstelle befindet) ebenfalls ein Backofen gestanden hat. Wir entnehmen diesen Fakten, dass es um die Jahrhundertwende in unserem Ort mehrere Backöfen gegeben haben muss und dass es noch im 20. Jahrhundert in unserem Ort eine ganze Menge Haushaltungen (nicht nur Bauern) gegeben hat, die ihr Brot selbst gebacken haben.
Soweit dem Verfasser bekannt ist, bestehen alle diese Backöfen heutzutage nicht mehr. Der einzige „Überlebende“ ist unser Backofen in der Sputendorfer Straße.
Für uns als Nachkommen ergibt sich die Mahnung und Verpflichtung, unseren Backofen als Zeuge vergangener Zeiten gut zu pflegen und ihn für künftige Generationen zu erhalten. Wir sollten nie vergessen, unter welch komplizierten Bedingungen unsere Vorfahren ihr tägliches Brot herstellen mussten und welchen Gefahren sie dabei ausgesetzt waren.
Backofenfest seit 1980
Die Zeiten, in denen der Backofen für die Dorfbewohner lebenswichtig war, sind längst vorbei. Wer heutzutage Brot braucht, geht zum Bäcker oder zum Supermarkt. Jedoch: Einmal im Jahr erwacht der Backofen in Groß Köris wieder zum Leben und dringt Rauch aus seinem Schornstein. An einem Sonnabend im Sommer findet das Backofenfest statt, zu dem sich Jung und Alt auf der Wiese am Backofen einfindet. Zum Backofenfest wird der Backofen beheizt und Bäckermeister Peter Dieu schiebt vorbereitete Schusterjungen sowie Streusel- oder Speckkuchen in den Ofen. Nach dem Backvorgang ist gemeinsames Verzehren angesagt oder Mitnehmen für zuhause. Für Kinder stehen Vergnügungen bereit. Und für die Erwachsenen bietet das Sommerfest Gelegenheit, sich näher zu kommen, Bekanntschaften zu schließen oder sich bei Musik und Tanz im Freien zu vergnügen. Zu später Stunde werden die Gäste durch ein Höhenfeuerwerk erfreut.
Ins Leben gerufen wurde das Backofenfest 1980 von den Freunden des Anglervereins des Ortes. Es soll in diesem Zusammenhang vor allem an Hans-Walter Kubitza (1914 bis 2004) erinnert werden. Er hat als erster den Vorschlag gemacht. Inzwischen ist das Backofenfest zu einer schönen Tradition geworden, mit der ein Stück Ortsgeschichte im Bewusstsein der Menschen erhalten werden soll.
Erstveröffentlichung: „Teupitzer Nachrichten“, September – November