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Die Künstlerkolonie

Die Künstlerkolonie am Karbuschsee
Verfasser: Friedmar John
Die Besiedlung
Um die Jahrhundertwende ließen sich 3 Künstlerfamilien in Groß Köris am Karbuschsee nieder. Den Anfang machte 1892 Josef Kremo. Er erwarb das Grundstück, auf dem sich heute die Pension „Schwalbennest“ befindet. Josef Kremo war Seiltänzer, Trapezkünstler und Parterreakrobat. Zwei Jahre später, 1894, folgte die Familie von Sylvester Schäffer sen. Dieser war Jongleur, Fußäquilibrist und Springer. Er kaufte das Grundstück „Am Karbuschsee 1“, auf dem sich bereits damals eine Villa befand. Die dritte Künstlerfamilie war die Familie Valentin Klein. Die Kleins siedelten sich 1902 auf
dem Grundstück „Am Karbuschsee 11“ an. Sie waren Kunstradfahrer. Ein Sohn und ein Enkel von Valentin Klein wurden darüber hinaus Musiker (Kapellmeister und Komponist).
Befreundete Familien
Als sich die drei Familien hier niederließen, waren sie weit über Deutschland hinaus als
Varieteekünstler bekannt. Ihr Wunsch war es, in einer landschaftlich schönen Gegend, nahe Berlin, ein Wohn-Domizil zu haben, wo sie sich von ihren anstrengenden Gastspielen und Bühnenauftritten erholen und neue Artistenattraktionen und Programme vorbereiten konnten. Die drei Familien waren durch ihre künstlerische Arbeit miteinander bekannt und eng befreundet. Eine lebenslange Freundschaft bestand zwischen den Familien Kremo und Schäffer. Josef Kremo hatte als junger Mann seine Ausbildung als Artist bei Karl Schäffer, dem Stammvater der Schäfferdynastie, erhalten. Acht Jahre, von 1865 bis 1873, hatte er bei der Familie Schäffer in Wien gelebt und war von dieser wie ein Familienmitglied und ein eigener Sohn behandelt worden. In dieser Zeit hatte er sich mit Sylvester, dem ältesten Schäffersohn, angefreundet. Dieser war 5 Jahre jünger als Josef Kremo. Höchstwahrscheinlich sind damals beide gemeinsam in der Schäfferschen Truppe aufgetreten. Die Freundschaft hat „ein Leben lang“ gehalten. Auch wenn das Artistenleben die beiden Familien in die verschiedensten Teile
der Welt geführt hat, so ist der Kontakt nie abgerissen. Und als Josef Kremo 1881 seinen ersten Sohn bekam, nannte er ihn ebenfalls Sylvester. Er wollte damit wohl seine enge Verbindung zur und seine Dankbarkeit gegenüber der Familie Schäffer zum Ausdruck bringen. Übrigens: Der Vorname Sylvester scheint bei den Familien Schäffer und Kremo sehr beliebt gewesen zu sein. Nicht nur die beiden ältesten Söhne der Familien hießen so, sondern auch deren älteste Enkel.
Kinderreichtum am Karbuschsee
Die Grundstücke der drei Artistenfamilien am Karbuschsee lagen unmittelbar nebeneinander. Sie nahmen nahezu das gesamte Südufer des Sees ein. Alle Familien hatten mehrere Kinder: Sylvester Schäffer sen. hatte 4, Josef Kremo hatte 10 Kinder als er sich hier niederließ. Weitere zwei Kremokinder wurden ihm nach seiner Ansiedlung geboren. Eins davon starb als Kleinkind. Zur Familie Klein gehörten 5 Kinder. 1902, nachdem sich die Familie Klein hier niedergelassen hatte, gab es auf den drei Artistengrundstücken insgesamt 20 Kinder und Jugendliche (9 Jungen und 11 Mädchen) im Alter zwischen 5 und 21 Jahren. Es muss ein frohes und munteres Treiben am Karbuschsee gewesen sein, wenn im Sommer alle drei Familien mit ihren Kindern und Bekannten hier anwesend waren, sich beim Baden, bei Bootsfahrten oder beim Angeln vergnügten oder im Wald herumtobten. Kinder und Jugendliche suchen Kontakt zueinander und kommen sich näher. Was wundert es da, wenn aus diesen Kontakten Liebe wird. Werner Klein, der jüngste Sohn von Valentin Klein, verliebte sich in die fast gleichaltrige Kremotochter Franziska und heiratete sie. Auch berufliche Kontakte zwischen den Artistenfamilien gab es. Um 1900 gab es gemeinsame Auftritte der Familien Kremo und Schäffer in Berlin. Von 1932 bis 1933 war Werner Klein Kapellmeister bei Sylvester Schäffer jun. Vielleicht zeigt dieses Beispiel die Nachhaltigkeit, mit der gemeinsame Kinder- und Jugenderlebnisse ein Leben lang
verbinden können.
Sie waren „unter sich“ …
Die Bezeichnung „Künstlerkolonie“ sollte sicher nicht nur die Ansiedlung der Künstlerfamilien hier in der Ruhe des Waldes, weitab vom Trubel der großen, weiten Welt zum Ausdruck bringen. Sie sollte wohl vor allem die engen persönlichen Beziehungen der drei Familien, aber auch ihre
übereinstimmenden beruflichen Interessen zeigen. Wenn sie im Sommer in ihren Turnhallen die neuen Programme vorbereiteten, hat es an gegenseitigen Anregungen und Ratschlägen sicher nicht gefehlt. Jeder hatte seine eigenen Erfahrungen mit dem Publikum und wusste, welche Darbietungen bei den Zuschauern besonders gut (oder weniger gut) ankamen. Jeder hatte seine Erfahrungen mit den Risiken und Gefahren des Artistenberufes. Hier am Karbuschsee boten sich Raum und Zeit, um über Erfolge (und Misserfolge) zu sprechen. Hier konnte man seine Erlebnisse zum Besten geben, Erfahrungen und Eindrücke über die einzelnen Länder, Städte sowie deren Varietee- und Vergnügungsetablissements austauschen, aber auch Anekdoten erzählen und sich über dies und jenes aus der großen weiten Welt unterhalten. Hier waren die drei Künstlerfamilien „unter sich“ und hatten ein ungestörtes Privatleben. Und hier feierten sie ihre Sommerfeste und luden ihre Bekannten ein.
… und hatten Kontakt zum Dorf
Für Groß Köris war die Künstlerkolonie immer etwas Besonders. Sie brachte in Zeiten ohne Radio und Fernsehen die Kultur – auch anderer Länder – in das beschauliche Dorf. Bei dörflichen Höhepunkten traten die Künstlerfamilien auf, gaben Kostproben ihres artistischen Könnens und wurden von den Einwohnern bestaunt und sicher auch beneidet. In Groß Köris gingen die Kinder der Artisten zur Schule. Im Dorf sprach man stets mit Achtung vom Fleiß und der Disziplin, mit der schon die Kinder der Artistenfamilien an die künstlerische Arbeit herangeführt wurden. Auch familiäre Beziehungen zum Ort entstanden. Arthur Klein, der älteste Sohn von Valentin Klein und Chef der späteren „Arthur Klein Familie“, heiratete 1903 oder 1904 Johanna Lorenz, die Tochter des Gastwirts vom „Deutschen Haus“.
1923 erwarb Arthur Klein das Grundstück rund um den kleinen Roßkardtsee, wo er sich mit seiner Familie niederließ. Eine weitere Verbindung ist zu erwähnen. Der junge Artist Siegfried Schäffer (ein Neffe von Sylvester Schäffer sen.), der seit 1918 bei seinem Onkel am Karbuschsee wohnte, heiratete 1920 Marie Eichler. Sie war die Tochter des Dachdeckermeisters Wilhelm Eichler, der in der Bahnhofstraße (heute Seebadstraße) ein Dachdeckungssgeschäft unterhielt. Aufgrund der schlechten Nachkriegszeiten gab Siegfried Schäffer den Artistenberuf auf, lernte Dachdecker und übernahm als Dachdeckermeister das Geschäft seines Schwiegervaters, das er von 1924 bis 1966 leitete.
Nachkommen von ihm leben noch heute in Groß Köris.
Drei Jahrzehnte Künstlerkolonie
Die Künstlerkolonie bestand etwas mehr als 30 Jahre, von etwa 1900 bis in die 1930er Jahre. Seinen Höhepunkt erlebte sie in den Jahren zwischen der Jahrhundertwende und dem 1. Weltkrieg. 

1915 löste sich die Künstlertruppe der Familie Kremo auf. Die meisten Kremokinder begannen danach eine eigene Artistenkarriere. Die Stammväter der Artistenfamilien Kremo und Klein starben kurz hintereinander: Josef Kremo starb 1917, Valentin Klein 1918. 1924 kam Artur Klein, der Chef der Radfahrtruppe „Artur-Klein-Familie“, bei einem Motorradunfall ums Leben. Sylvester Schäffer verkaufte seine Villa 1930, nachdem er schon einige Jahre vorher zu seinem Sohn an den Starnberger See gezogen war. Die meisten Kremos verließen in den 1930er Jahren Deutschland und siedelten in die Schweiz über. Lediglich Franziska Kremo (die Stammmutter) und zwei Kremo-Töchter blieben bis zu ihrem Tod hier wohnen. Auch die Wohnstätte der Familie Klein am Karbuschsee leerte sich. Martha Klein, die Stammmutter der Kleins, ist 1934 verstorben. Der Artist und Komponist Werner Klein zog mit seiner Familie in den Jahren nach 1934 nach Berlin. Damit endet die Geschichte der Künstlerkolonie. Festzuhalten bleibt, dass die Anwesenheit der Künstlerfamilien dazu beigetragen hat, den Karbuschsee über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt zu machen und Groß Köris für den Tourismus zu erschließen.
Nähere Informationen über die drei Künstlerfamilien erhalten Sie in den folgenden Heften.
Erstveröffentlichung: „Teupitzer Nachrichten“ 2013, 2. Ausgabe.